Mein Erfahrungsbericht zum Verlauf des Cogan-I-Syndroms mit Beteiligung weiterer Organen
Die erste Vorankündigung einer bevorstehenden Erkrankung bemerkte ich gegen Ende des Zivildienstes 1981, als Blut im Stuhl auftrat.
Die erste Vorankündigung einer bevorstehenden Erkrankung bemerkte ich gegen Ende des Zivildienstes 1981, als Blut im Stuhl auftrat.
Die Hausärztin zu Hause überwies mich zur Spiegelung in eine örtliche Klinik. Dort wurden Anzeichen, die möglicherweise auf den Beginn einer Colitis Ulcerosa hinweisen könnten, diagnostiziert.
Da das Ganze aber wieder verschwand, begann ich im Wintersemester 1981 mein Studium.
Die ersten drei Semester verliefen vollkommen unspektakulär, bis dann im Frühjahr 1983 der erste massive Schub auftrat.
Ich merkte morgens noch gar nichts Besonderes und wollte wie üblich aus dem Bett aufstehen, wobei ich aber sofort wieder umfiel. Nach drei Versuchen beschloss ich die erste Vorlesung zu überspringen und mich noch etwas auszuruhen, vielleicht geht das Ganze ja vorbei. Das ging es aber nicht und ich rief meinen Hausarzt an, zum Telefon und zur Toilette bewegte ich mich nur kriechend. Der Hausarzt meinte vielleicht einmal Herztropfen auszuprobieren, die mein Vermieter dann in der Apotheke für mich holte.
Als damit aber bis zum Mittag keine Veränderung eintrat, initiierte der Hausarzt dann den Transport in ein Krankenhaus.
Dies war das nächstgelegene Krankenhaus und eine sehr kleine Einrichtung, die keine HNO- Abteilung hatte und deshalb das Gleichgewichtsproblem nicht wirklich untersuchen konnte.
Ich selbst bemerkte nur, dass, wenn ich auf der rechten Seite lag, ich mit dem linken Ohr alles verzerrt und leiser hörte.
Dies sagte ich den Ärzten und so wurde ich nach zwei Tagen einem HNO-(Beleg)-Arzt vorgestellt, der hier aber keine wirklichen Untersuchungen machen konnte. Statt Audiometrie ein Flüstertest, bei dem ich einmal das eine und dann das andere Ohr zuhalten musste.
Da diese ganze Situation sehr stressig war, kam es dann wieder zu dem Blut im Stuhl, was man genauer untersuchen wollte.
Meine Frau holte mich dann am Wochenende in unsere Heimatstadt nach Hause und am Montag stellte ich mich dann dort bei einem HNO-Arzt vor. Dieser stellte dann fest, dass im linken Ohr der Gleichgewichtssinn nicht mehr funktionierte und kein Hören mehr möglich war. Dieser HNO-Arzt überwies mich weiter in das hiesige Kreiskrankenhaus, die dort das Gleiche diagnostizierten. Der Oberarzt wollte aber noch genauere Untersuchung durchführen, ob es nicht eine Ruptur des runden Fensters gegeben hätte. So wurde ein OP-Termin anberaumt, bei dem durch einen Schnitt hinter dem linken Ohr ein Blick hinein gemacht wurde. Außer Rötungen, die auf eine Entzündung deuteten, konnte aber nichts Auffälliges gefunden werden.
Normalerweise hätte ich dann nach einer Woche wieder zum Studium gehen können, wenn sich diese geöffnete Ohrmuschel nicht entzündet hätte (Boxerohr).
So musste ich noch mehrere Monate bleiben und bekam dann auch eine komplette Spiegelung des inzwischen stark entzündeten Dickdarms.
So ging es mit dem Studium erst im Wintersemester mit neuen Kommilitonen und nur noch einem hörenden Ohr weiter.
Im Dezember passierte dann das Gleiche auch auf der rechten Seite: Zuerst Ausfall des Gleichgewichtssinns und in den nächsten fünf Tagen wanderte die Hörkurve an jedem Tag um 15dB tiefer, bis dann auch hier kein Hörrest mehr vorhanden war.
Da ich aber nicht aufhören wollte zu studieren, schrieb ich mich bei der Fernuniversität Hagen ein.
Allerdings ging das nicht so schnell weiter, wie ich gehofft hatte, da die Fernuni nicht alle meine Prüfungsscheine anerkannte und ich die Prüfungen dort noch einmal unter strengeren Prüfungsbedingungen wiederholen musste, des Weiteren machte das Cogan-I-Syndroms nun im Dickdarm weiter. Aufgrund dieser Schmerzen konnte ich pro Tag nur wenig Neues lernen.
Nach drei Jahren hatte ich so viel abgenommen, dass ich in ein Krankenhaus ging, wo ich die nächsten Monate über einen Port kontinuierlich mit Infusionen versorgt wurde.
Als diese Situation etwas stabilisiert wurde, wurde der komplette Dickdarm geröntgt.
Das Ergebnis war dramatisch, denn an einer Stelle war zu erkennen, dass der sehr geschädigte Dickdarm anfing, sich in sich selbst hineinzustülpen.
Da es an solch einer Stelle keine ausreichende Versorgung gibt, geht der Darm dort zugrunde und ich damit unweigerlich auch. Deshalb musste mein Dickdarm schnell entfernt und ein künstlicher Dünndarmausgang angelegt werden.
Der mich behandelnde Chefarzt überwies mich dazu in ein anderes Krankenhaus, da er diese große Operation bei einem so geschwächten Patienten nicht im eigenen Hause durchführen lassen wollte. Das andere Krankenhaus war als Unfallkrankenhaus bekannt. Der Professor dort holte sich dann aber zu meiner Dickdarm Entfernung einen Anästhesisten aus einer anderen Klinik dazu, der dann bei mir eine Anästhesie wie bei einem Achtzigjährigen durchführte.
So gelang diese Operation gut und nach einer Woche konnte ich nach Hause entlassen werden.
Inzwischen hatte meine Frau die Studienwohnung gekündigt und den Umzug organisiert, denn ein Fernstudium kann man ja auch zu Hause durchführen.
In diesen Jahren kommunizierten meine Frau und ich mit Gebärden, Mund-Hand-System und Fingeralphabet (z.B. bei Eigennamen).
Nach erfolgreichem Abschluss des Fernstudiums habe ich mich dann in meiner Heimatstadt als Entwicklungsingenieur bei Siemens beworben. Dort wurde ich auch als tauber Mitarbeiter eingestellt, da die Entwicklungsvorgaben des GSM Mobilfunknetz alle in schriftlicher Form vorlagen. Bei Teambesprechungen haben mir dann Arbeitskollegen aufgeschrieben.
In dieser Zeit habe ich mich auch einmal in einer sehr erfahrenen Medizinischen Hochschule bezüglich des Cochlea Implantates untersuchen lassen. Der Promontoriumstest war erfolgreich, nur wurde mir gesagt, dass ich noch besser absehen lernen sollte. Ich habe zwar dann einen weiteren Abseh-Kurs besucht, mir dabei aber gedacht, wenn ich wirklich viel besser absehen könnte, wozu brauche ich dann das CI? Dann habe ich erst Mal um keinen OP-Termin gebeten.
Da ich bisher immer noch keine endgültige Diagnose, geschweige denn wirksame medikamentöse Therapie bekam, tauchten immer wieder an der ein oder anderen Stelle Probleme auf. So zum Beispiel durch übermäßige Bildung von Schleim in der Lunge.
Mein Hausarzt überwies mich an einen Facharzt, der bei mir zum ersten Mal eine Untersuchung auf Antikörper vornahm. In erster Linie wollte er eine Mukoviszidose ausschließen. Das Ergebnis war dann zum Glück keine Mukoviszidose, aber Antikörper gegen die Schilddrüse. Der Arzt schloss daraus, dass alle meine Probleme auf ein übereifriges Immunsystem zurückzuführen seien und verschrieb das Immunsupressivum Imurek.
Später kam dann eine weitere Autoimmunerkrankung in Form der Multiplen Sklerose dazu. Diese machte sich zuerst durch eine Entzündung des Sehnervs bemerkbar. Der behandelnde Augenarzt überwies mich zu einem Neurologen, der mich zum MRT überwies, wo die MS dann bestätigt wurde. Da erhielt ich auch zum ersten Mal hochdosiertes Cortison (1000 mg pro Tag).
Nach einem anderen traumatischen Geschehen bin ich dann wieder in die Medizinische Hochschule und habe mich dort im Frühjahr 1997 operieren lassen und bekam ein CI auf der rechten Ohrenseite. Durch die bekannte MS war mir klar, dass weitere MRT-Untersuchungen möglich sein müssen. Ein bekannter CI-Hersteller stellte für spezielle Patienten CIs ohne Magnete her, bei denen das Headpiece durch einen Bügel von der Firma Bruckhoff gehalten wurde. Die damaligen Sprachprozessoren waren ziemlich klobige Geräte, die am Gürtel (Taschenprozessoren) getragen wurden.
Auch wenn man mir damals gesagt hatte, dass das Sprachverstehen allein wichtig wäre, habe ich selbst sofort auch mit Musik hören angefangen.
Ich konzentrierte mich auf ein Album von Bob Dylan, welches ich noch sehr gut von der Zeit vor der Ertaubung kannte.
Im Sommerurlaub habe ich mir dieses jeden Tag angehört und so diese Musik Stück für Stück wieder erkannt.
In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende bekam ich noch einmal einen Cogan-Schub, der wohl durch eine Doppelimpfung mit darin enthaltenen „Wirkstoffverstärkern“ ausgelöst wurde.
Diese Zusatzstoffe aktivieren das Immunsystem sehr stark und können bei Menschen mit Autoimmunprozessen schädliche Schübe auslösen.
Eine Auswirkung war das Nachwachsen von Bindegewebe in der Cochlea. Solch ein Umwachsen der Elektrode ist direkt nach der CI-Operation eher möglich, aber nicht fünf Jahren ohne irgendwelche Probleme. Die schlechtere Leitung innerhalb der Cochlea merkt man selbst nicht und wurde deshalb erst bei der nächsten CI-Kontrolle entdeckt. Die ersten beiden tiefsten Elektroden konnte ich nicht mehr unterscheiden, weshalb Elektrode 2 abgeschaltet wurde. Zu Hause habe ich drei Tage hochdosiertes Cortison erhalten, wodurch der Prozess gestoppt wurde.
Allerdings hatte die Zeit wohl ausgereicht, um Strukturen auf Kleinhirn-Ebene, die für die unbewussten Augenbewegungen verantwortlich sind, durcheinander zu bringen. Dadurch entwickelte sich Jahr für Jahr ein immer stärkerer Nystagmus (Obsoklonus).
Im Jahr 2006 habe ich mich dann auch auf der linken Seite mit einem CI versorgen lassen. Dieses lange Warten wäre fast fatal gewesen, da der Eingang zur Hörschnecke schon ziemlich verknöchert war. Die Operation gelang zum Glück und ich bekam auf der linken Seite zum ersten Mal einen HDO-Prozessor.
Im Jahr 2016 wurde dann auf der rechten Seite eine Reimplantation (Ersatz des alten Cl) durchgeführt und ich erhielt auf beiden Seiten HDO-Sprachprozessoren.
Im Jahr 2023 wurden diese dann durch neuere Marvel Prozessoren, die intern Bluetooth Funktechnologie haben, ausgetauscht. Die Benutzung und Einstellung erfolgt jetzt nur noch per Smartphone und nicht mehr per Auswahl an den Knöpfen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Cogan-I-Syndrom eine mitunter aggressive Autoimmunerkrankung ist, der man auch massiv begegnen muss (Immunsuppressiva).
Zum anderen können Unikliniken in Problemfällen oft hilfreicher sein als kleine Einrichtungen.
Auch habe ich bei meinen Schüben immer einen zeitlichen Versatz von fast 3 Monaten zwischen dem auslösenden Ereignis, bis zum Sichtbarwerden der Schädigungen beobachtet.
Diese zeitliche Differenz erschwerte dann immer eine sofortige Diagnose.
Februar 2024, Richard Krug